Auf Wolken gehen
Ob auf dem Wasser oder auf dem Boden, die Insel Teneriffa bietet unzählige Aktivitäten an. Doch auch die Höhe hat ihren Reiz. Eine Reise durch die Luft, die über die eigene Grenze hinaus geht.
Die Schiebefenster des Minivans sind weit geöffnet. Der Fahrtwind bläst mir ins Gesicht und wirbelt meine Haare durcheinander. Ich weiss nicht wie lange wir schon unterwegs sind. Die Sonne steht schon tief, dass ich sie im Rückspiegel sehen kann. Salsamusik ertönt aus dem CD Player. Die Lateinamerikanerin neben mir, deren Namen ich nach dem sie ihn mir gesagt hatte, bereits wieder vergessen habe, wippt mit ihrem Oberkörper hin und her. „Sempre a bailar“, singt sie, „Immer am tanzen“. Das Mädchen Laura sitzt mucksmäuschenstill in der rechten Ecke, ihre Hände sind gefaltet, die Beine eng aneinander gepresst. Ich schaue über die Brasilianerin zu ihr rüber und frage: „Bist du nervös?“. „Mhm“, gibt sie murmelnd zur Antwort. „Ich auch“, sage ich, in der Hoffnung sie damit irgendwie zu beruhigen. Sie schaut nachdenklich aus dem Fenster. Vier Personen inklusive mir werden zum ersten Mal auf 2300 Metern von einem Hügel hinunter ins Leere rennen.
Zum Abflug nicht bereit
Die Wetterbedingungen sind perfekt. Ein schwacher Wind weht, der Himmel ist klarblau.
Vor uns rutschen zwei Personen vor ihrem Abflug auf dem Boden aus und die Helfer halten den Fallschirm fest. Laura und ich schauen uns entgeistert an. Sie ist als Nächstes dran. Ohne Komplikationen hebt sie ab und winkt mir zu. Gleich im Anschluss fliegt die Lateinamerikanerin los und lässt mehrmals einen Freudeschrei raus.
Jetzt bin ich dran. Was mache ich hier? Ich glaube ich mache einen Rückzieher und bleibe mit meiner Höhenangst.
Nun geht alles schnell. Mir wird ein rot-schwarzer Overall angezogen. Chic sehe ich aus, da werden meine roten Backen noch mehr zum Leuchten gebracht. Die Frau zieht mir den Tragegurt enger und überprüft die Sicherheitsschnallen. Die Haut auf meiner Stirn formt sich zu Runzeln und mir ist flau im Magen. Die Frau schaut mir in die Augen und lächelt: „Atme tief durch, keine Angst. Er ist ein Profi“. Mit Profi meint sie meinen Piloten hinter meinem Rücken. Er fliegt seit zwanzig Jahren und hatte noch nie einen Unfall.
Ich atme einmal tief durch die Nase ein – meine Lunge füllt sich mit Luft – und langsam durch den Mund aus. „Renn, renn, renn!“, ruft mir die Frau zu. Meine Beine beginnen sich an zu bewegen. Mein Pilot zieht den Schirm nach oben, der sich mit Luft füllt und uns kräftig nach hinten reisst. Ich renne weiter, immer schneller, bis ich den Boden nicht mehr unter den Füssen spüre. Meine Höhenangst ist plötzlich verschwunden, als wäre sie gar nie da gewesen.
Komme ich nur schon in die Nähe eines Abgrundes, dreht sich alles um mich herum. Beim Paragliding ist das anders. Sobald die Füsse den Boden verlassen, ist die Angst von der Höhe wie weggeblasen.
Das Fliegen ist das beste Gefühl, das ich jemals hatte. „Wuuuhuuu“, schreie ich mir aus der Seele. Ich bin schwerelos. Ab und zu, während wir ins Schwanken geraten, wird mir schwindlig, wie auf welligem Seegang.
Mittendrin
Die Sonnenstrahlen scheinen mir ins Gesicht, ich kneife kurz die Augen zu und öffne sie wieder um die magische Naturlandschaft zu bewundern. Ich bin für einen Moment sprachlos. Meine Augen füllen sich mit Wasser und mein Mundwinkel zieht sich nach aussen. Ich drehe meinen Kopf nach links, die gewaltige Vulkanspitze Pico Viejo ragt in den klarblauen Himmel hinauf.
Der Teide ist mit 3718 Metern, der höchste Berg Spaniens. Das grösste Naturschutzgebiet der Kanarischen Inseln dehnt sich auf einer Fläche von 46.612,9 Hektar aus. Wir sind umgeben von der hügeligen Landschaft, von bizarren Felsformationen die in schwarz, rot, gelb, braun leuchten und von dem grünen, dichten Pinienwald. Unter meinen Füssen liegt eine Wolkendecke wie eine übergrosse Zuckerwatte. Wir nähern uns den Wolken. „I have to concentrate now“, ruft mir der Pilot zu. Ein Piepsen weckt mein Gehör. Es ist ein Messgerät, mit dem der Pilot die Höhe ermittelt. Wenn das Gerät sich meldet, muss er mehr an Höhe gewinnen.
Er ruft: „Walk on the clouds“. Ich strample mit meinen Füssen und es ist so, als würde ich tatsächlich auf Wolken gehen können. Wir fliegen mitten in sie rein, bis alles grau um uns herum ist. Ich spüre den kühlenden Wasserdampf auf der Haut, der schnell wieder verpufft. Ist das noch Realität? Es fühlt sich an, als wäre ich am Schlafen und hätte einen wunderschönen Traum. Ich strecke meine Arme aus und versuche nach den Wolken zu greifen, doch sie gleiten zwischen meinen Fingern hindurch. Ich fühle mich frei und mächtig, ich glaube, jetzt kann ich alles schaffen.
Nie mehr den Boden berühren
Blaues Licht bricht die Wolken. Die Sicht wird klarer und vor uns breitet sich das tiefblaue Meer aus. Jetzt übernehme ich die Zügel, ziehe abwechslungsweise nach links und wieder nach rechts. Das Kribbeln im Bauch bringt mich zum Lachen. Wir kommen dem Boden immer näher. Die Menschen und Autos unter uns sehen winzig klein aus, wie Playmobils. Ich wünschte ich könnte mir Flügel wachsen lassen und nie mehr den Boden berühren.
Das Video von meinem Paragliding Flug findet ihr HIER
5 Antworten zu “Paragliding”
Meega cool…
Danke, war super 😀
[…] Sonne. Über dem Tal liegt ein kleiner Nebelschleier. Das Bergdorf Masca liegt im Teno Gebirge in Teneriffa und ist über eine kurvenreiche Strasse von Santiago del Teide erreichbar. Früher gab es nur die […]
Welchen Anbieter hattest du gebucht? S
Freut mich, dass du fragst. Bei http://www.mamioverde.com vor Ort in Puerto de la Cruz.